DevOps mal ganz praktisch: „Wir suchen bei Problemen keinen Schuldigen“

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In der Serie „DevOps mal ganz praktisch“ geben Experten ihre Praxis-Erfahrungen bei der Umsetzung von DevOps-Prinzipien weiter. Heute: Samuel Ferraz-Leite von iMobility.
JAXenter: Beginnen wir einmal rein organisatorisch. Wie ist bei euch die Zusammenarbeit zwischen Devs und Ops organisiert?
Samuel Ferraz-Leite: Wir haben keinen Bedarf an einem klassischen Ops-Team oder einem Operations-Experten. Unsere Services werden in Docker-Container geschnürt und die Deployments deklarativ als Teil des Git-Repos hinterlegt. Hier haben wir das Glück als Start-Up keine Altlasten zu haben und konnten fast von Anfang an auf Kubernetes setzen. Das ist eine ungeheure Erleichterung und es ermöglicht uns, mit einem sehr kleinen Team eine komplexe und performante Microservice-Architektur im Betrieb zu beherrschen.
JAXenter: Wie ist üblicherweise die Team-Struktur in eurer IT?
Testen und Betrieb sind für uns Teil der Produktentwicklung.
Samuel Ferraz-Leite: Wir haben nur ein Produktentwicklungsteam und wir arbeiten im Scrum Framework. Client-Entwickler, Backend-Ingenieure, UX-Designer, Product Owner und ich in der Rolle des Scrum Masters gestalten gemeinsam das Produkt. Während die Rollen zwischen Android-, iOS- und Backend-Entwicklern relativ scharf getrennt sind – hauptsächlich wegen der Verschiedenartigkeit der Aufgaben – gibt es keine dezidierten QA- oder Ops-Experten. Testen und Betrieb sind für uns Teil der Produktentwicklung. Was das Alter betrifft haben wir eine gute Mischung aus Junioren und erfahrenen Experten. Leider bewerben sich nur sehr wenige Frauen auf die von uns ausgeschriebenen Stellen, weshalb wir gar keine Kollegin in der Softwareentwicklung bei uns haben. Ich würde mich freuen hier noch mehr Vielfalt ins Team bringen zu können.
JAXenter: Wie autonom können diese Teams agieren?
Unser Team genießt sehr viel Autonomie und auch Autorität.
Samuel Ferraz-Leite: Unsere Software-Entwickler werden von Anfang an in die Gestaltung des Produktes einbezogen. Sie sind frei ihr Arbeitsmaterial, ihre bevorzugte Sprache und IDE sowie ihre Mittel für den Betrieb und die Automatisierung zu wählen. Insofern genießt unser Team sehr viel Autonomie und auch Autorität: Zum Beispiel können Anschaffungen wie Lizenzen üblicherweise ohne langatmige Begründung in wenigen Minuten bewilligt werden. Generell kann man sagen, dass sehr großes Vertrauen zueinander herrscht. Abnahmen im klassischen Sinn gibt es nicht, aber eine regelmäßig stattfindende Sprint Review, zu der alle Kollegen herzlich eingeladen sind.
JAXenter: Bei DevOps ist auch immer von „Unternehmenskultur“ die Rede. Das ist sicherlich kein leicht zu fassender Begriff. Würdest du sagen, bei euch gibt es so etwas wie eine einheitliche Kultur – oder vielleicht mehrere Kulturen?
Samuel Ferraz-Leite: Wir leben die Werte des Manifests für agile Softwareentwicklung. Wir achten darauf, dass alle Mitarbeiter in die für das Produkt relevanten Entscheidungen eingebunden sind und gehört werden. Wir suchen bei Problemen keinen Schuldigen, sondern analysieren die Lage und Verändern die Umstände so, dass das Problem nicht mehr auftreten kann – oder sich schneller beheben lässt. Unser Product Owner hört auf die Ratschläge der Entwickler und stellt ausreichend Zeit für Clean Code, Automatisierung und operative Themen zur Verfügung. Dies alles führt dazu, dass wir uns stark mit unserem Produkt identifizieren und uns unseren Usern verpflichtet fühlen.
DevOps-Erfahrungen aus meiner Praxis
Meiner Erfahrung nach arbeiten Devs und Ops am besten zusammen, wenn….
… es kein Ops-Team und Dev-Team gibt, sondern die Software und die Infrastruktur von allen gemeinsam erarbeitet und gepflegt wird.
Das größte Hindernis für DevOps ist meiner Erfahrung nach…
… mangelndes Verständnis für die Vorteile – oder Angst davor – Kontrolle in komplexen Systemen zu dezentralisieren.
Was die Mitarbeiterzufriedenheit am meisten fördert ist…
… sehr unterschiedlich. Ich empfehle bei Mitarbeitergesprächen die Moving-Motivators-Übung. Dadurch kann man Einblick in die individuellen Motivatoren gewinnen und dann das Arbeitsumfeld so gestalten, dass jeder seinen Platz zur Verwirklichung findet.
Der Vorteil autonom arbeitender Teams liegt darin, dass…
… komplexe Systeme anders nicht effizient beherrschbar sind.
Wichtig für eine positive Unternehmenskultur ist ....
… anzuerkennen, dass immer das System, nie der Mitarbeiter schuld ist. Ich weiß, das stimmt nicht zu 100 Prozent, aber das sollte die Grundannahme sein. Nur wenn offen über das Scheitern gesprochen wird, kann eine positive Kultur motivierter und innovativer Teams entstehen.

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- Teil 1 mit Thomas Schissler (artiso solution): Was die Mitarbeiterzufriedenheit am meisten fördert, ist…
- Teil 2 mit Arthur Speth (Microsoft): Der Vorteil autonom arbeitender Teams liegt darin, dass…
- Teil 3 mit Matthias Marschall (Stylight): Was die Mitarbeiterzufriedenheit am meisten fördert ist Wertschätzung
- Teil 4 mit Eduard Sizovs: „Wartet nicht auf Unternehmen, um eine bessere Firmenkultur zu promoten“
- Teil 5 mit Kontsantin Diener (cosee): Cooperation, Initiative, Responsibility, Respect & Craftsmanship
- Teil 6 mit Anton Weiss (Otomato): Offene Kommunikation und Sharing muss möglich sein
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